So geht Luftanhalten!

So geht Luftanhalten!

Lernen von den Bajau: Trainingskonzept Atemanhalten.

Bis ins hohe Alter schaffen es die Bajau1 bei ihrer täglichen Jagd nach Meerestieren bis zu 70 Meter tief zu tauchen. Dabei halten sie mehrere Minuten lang die Luft an. Immer wieder versetzt diese einzigartige Fähigkeit der Bajau Forscher und Reisende aus aller Welt in Erstaunen. Möglich wird dies durch den sogenannten Tauchreflex. Diesen Schutzmechanismus beobachtet man bei allen luftatmenden Lebewesen. Er sorgt beim Eintauchen ins Wasser dafür, dass die Atmung sistiert, das heißt aussetzt.

Der Tauchreflex und auch die Ohnmacht sind natürliche Sicherheits- und Schutzmechanismen. Diese stellen sicher, dass dem Gehirn nicht zu lange Sauerstoff vorenthalten wird, was zu einer Unterversorgung oder Hirnschäden führen kann. Diesen Effekt kann man vor allem beim Apnoetauchen, auch Freitauchen genannt, nutzen.

Zusätzlichen Sauerstoff aktivieren

Verantwortlich dafür ist der parasympathische Teil unseres Nervensystems. Dieser verlangsamt unseren Herzschlag und schränkt den Blutkreislauf auf die wesentlichsten und wichtigsten Organe ein (Bloodshift). All das sorgt für einen reduzierten Sauerstoffverbrauch. Zusätzlich zieht sich die Milz zusammen, die, als Speicher für rote Blutkörperchen, diese nun in den Organismus pumpt. Der Körper wird so mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt.

Wie es funktioniert: Die Milz macht den Unterschied!

Bei den Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Männer und Frauen der Bajau eine bis zu 50 Prozent vergrößerte Milz besitzen. Die Milz gehört nicht unbedingt zu den Organen, die man aufs erste mit der Atmung in Verbindung bringen würde – und doch tut sie es! Es mag eine Überraschung sein, dass die Milz entscheidend dafür ist, mehrere Minuten lang die Luft anhalten zu können. Als „Filteranlage“ des Blutes hat sie eine wichtige Funktion im Immunsystem und steht mit der Atmung sowie der Sauerstoffversorgung unseres Organismus in einer besonderen Wechselwirkung.

Die Hauptaufgaben der Milz sind der Abbau von alten oder geschädigten Blutzellen. Hier geht es vor allem um Erythrozyten (rote Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen) sowie Mikroorganismen oder Immunkomplexe (Blutmauserung). Bedeutend ist das Organ besonders als Erythrozyten- und Thrombozytenspeicher. Und das ist genau das, was den Seenomaden solche imponierenden Tauchgänge ermöglicht, aber auch Sportler*innen unterstützen kann.

Mehr rote Blutkörperchen

Durch die größere Milz und deren Abgabe von roten Blutkörperchen in den Blutkreislauf, sind die Bajau in der Lage, ihre Tauchzeit extrem zu verlängern. Die Milz reguliert den Hämatokrit- (prozentueller Anteil der Blutzellen in Relation zum gesamten Blutvolumen) und den Hämoglobinwert im Blut. Das Hämoglobin ist auch als roter Blutfarbstoff bekannt, das den Sauerstoff bindet und ihn dann in den Körper transportiert.

Atemanhalten als zusätzliche Trainingseinheit

Die Milz hat also nachweislich einen großen Einfluss darauf, wie lange wir in der Lage sind, unseren Atem anzuhalten und umgekehrt. Wird der Atem angehalten, erhöht sich die Kohlendioxidkonzentration im Blut. Die Milz setzt durch die Kontraktion zusätzlich rote Blutkörperchen in unseren Blutkreislauf frei. Dabei spielt es keine Rolle, ob man das Atemanhalten wie bei den Bajau unter Wasser oder an Land praktiziert. Durch mehr rote Blutkörperchen ist unser Blut in der Lage, unsere Muskeln und Organe mit zusätzlichem Sauerstoff zu versorgen.
Es tritt nun ein ähnlicher Effekt auf, wie er im Artikel „Atemübungen als Dopingmehtode“ beschrieben wird. Die EPO-Produktion (das Hormon EPO = Erythropoetin fördert die Entwicklung der roten Blutkörperchen) im Körper ist angeregt. Und mit ihr die leistungssteigernden Effekte.

Den Bajau wird das Warum und Wieso auf ihrer Jagd nach Meerestieren wohl egal sein. Für Sportler,*innen, die ihre Leistung steigern wollen, ist es auf jeden Fall eine spannende, interessante und wirksame Trainingsergänzung. Wer hätte gedacht, dass regelmäßiges Atemanhalten im Training, im Wettkampf den Unterschied ausmachen kann…

1) Indigenes Volk des Malaischen Archipels, gehört zu den „Seenomaden“ aus Südostasien

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